Oh du fröhliche…

Sand statt Schnee

Oh, du fröhliche, oh du selige!                                                                                                                                                            

Wie jedes Jahr, so hatten wir auch dieses Mal unseren Urlaub gemeinsam mit unseren Freunden, Beate und Paul, in Amerika geplant, besser gesagt in Florida. Denn dort ist es um Weihnachten herum angenehm warm und es gibt weder Schnee, Hagel oder sonstige Wetterkatastrophen, wie wir sie aus Deutschland kennen. Alles wie immer und doch irgendwie anders.

Bestimmt lag es daran, dass wir von unseren Aufenthalten im Sunshine State stets so geschwärmt hatten und so glücklich und begeistert von der gemeinsamen Zeit berichteten. Vor allem mit dem gemeinsamen Einkaufen in den so gigantischen Supermärkten und dem anschließenden Kochen gehörte die ungeteilte Aufmerksamkeit unserer Freundesschar uns. Man klebte förmlich an unseren Lippen. Wie oft hörten wir, ja, da wollen wir auch mal hin, beim nächsten Mal kommen wir aber mit undundund. „Klar, das könnt ihr gerne machen, dann zeigen wir euch alles, wir sind ja schließlich Insider“, höre ich noch heute Paul sagen. Wie so oft waren es nur Lippenbekenntnisse – denn natürlich fuhren wir im darauffolgenden Jahr auch wieder zu Viert.

Aus 4 wird 6

Doch plötzlich drehte sich das Blatt und Heike und Roland zeigten deutlich ihr Interesse. Mittlerweile hatten sie sich Reiseführer besorgt, gegoogelt und waren voll auf dem Florida zu Weihnachten-Trip und zwar mit uns, und nur mit uns. „Endlich einmal nicht unter dem klassischen Weihnachtsbaum sitzen und Glühwein trinken“, freute sich Heike und Roland pflichtete ihr bei „ja, und ich will Sand unter meinen Füßen und keinen Schnee.“

„Und Weihnachten gemütlich mit Euch zu feiern und gemeinsam an einem Tisch zu sitzen, stelle ich mir sehr romantisch vor.“ Ah, war meine erste Reaktion, warum eigentlich nicht? Ich würde ja auch sofort mitfahren wollen, nachdem wir das alles erzählt haben. Außerdem hatten wir ein riesengroßes Haus gemietet, das mit seinen 260qm und 3 Schlafzimmern in der Tat genügend Platz für uns alle bot.

Also gut! Gesagt, getan und so flogen wir gemeinsam mit unseren Amerika-Neulingen am  22. Dezember nach Fort Meyers. Was für uns ja schon – fast – eher einer Routine glich, sorgte bei Heike und Robert in jeder Hinsicht für große Aufregung. Allein die Einreise, war für sie schon ein Erlebnis. „Die sind aber streng, was die alles wissen wollen,“ wunderte sich Heike. Roland hingegen freute sich eher auf den „Ami-Schlitten“, wie er sagte und meinte damit unser angemietetes Auto. „Und was ist es hier schön warm, sind wir nicht bei Minus 5 Grad und Schneefall abgeflogen?“

Unser Haus in Florida
Unser Haus in Florida

Als wir dann vor dem Haus in Cape Coral standen, hatten beide fast Tränen in den Augen. „Das ist kein Haus, das ist eine Villa“, schrie Heike. „Das gibt es doch gar nicht. Roland, komm ganz schnell, so einen Pool hast du noch nie gesehen. Und hier liegt ja auch das Boot, von denen die 4 gesprochen haben, das ist ja mega“. Ihre Begeisterung überschlug sich, als wir das Haus bzw. die Villa betraten. „Unfassbar, ich bin geplättet“, mehr brachte sie nicht heraus. Roland sagte gar nichts mehr, sondern nickte nur still in die Runde, offensichtlich fehlten ihm die Worte.

Wir 4 mußten doch lachen, das kam uns irgendwie bekannt vor. Darauf stießen wir erst einmal mit einem gut gekühlten Kalifornischen Weisswein an, den unser Vermieter netterweise in den übergroßen amerikanischen Kühlschrank gelegt hatte. Dazu einen Obstkorb und ein paar Pralinen. In der Tat war das schon ein sehr netter Empfang und ein hübscher Ort, um hier gemeinsam die nächsten Tage zu verbringen.

Den Masterbed-Room mit dem En-suite-Bad , da waren wir uns sofort einig, gönnten wir unseren Neuligen – klar, nahmen die das gerne an.

Die nächsten Tage verbrachten wir mit Akklimatisieren, gingen zusammen an den Strand, fuhren mit dem Boot, gingen einkaufen, kochten und hatten viel Spaß. Natürlich stellten uns Heike und Roland unaufhaltsam Fragen, aber Paul hatte die Ruhe weg und auf alles eine Antwort parat.

Sonne, Sand & Meer
Sonne, Sand & Meer

Weihnachten rückte näher, das hieß: es wurde Zeit für unsere Planung. Im Internet wurde nach Kochrezepten gesucht und über Ausflugsziele diskutiert. Günter, mein Ehemann und Koch-Fan, hatte alle von seiner auf Niedrig-Temperatur gegarten Lammkeule nach Wolfram Siebeck überzeugt. Und Heike und Roland wollten unbedingt nach Busch-Gardens. „Das ist Pflichtprogramm, die Shows, die Tiere und die Achterbahnen sind der absolute Hit,“ konnte ich sie nur bestärken.

Christmas is coming

Schon früh am Morgen des 25. Dezember stand Günter in der großen offenen amerikanischen Küche und bereitete seine Lammkeule vor, putze die Bohnen und nahm sich auch der Rosmarin -Kartoffeln an. Nach dem gemeinsamen Frühstück schob er seine Lammkeule in den Ofen und stelle diesen auf 80 Grad ein. „Meinst du, das geht gut?“ erkundigte sich Paul bei ihm. „Klar, hab ich schon öfter gemacht, und wenn wir dann um 8 Uhr wieder zu Hause sind, ist die super.“

Heike hatte in unserem Team stets den exakten Überblick über unsere Finanzen, eine Aufgabe die ihr als Finanzbeamtin quasi auf den Leib geschneidert war. Heute hatte sie auch noch die Schlüssel-Gewalt. Sorgsam oder besser gesagt pingelig wie sie war, sprang sie noch einmal aus dem Auto und prüfte, ob am Haus auch alles seine Ordnung hatte.

Nach gut 2 1/2 Stunden erreichten wir Tampa und damit Busch-Gardens, ein Zoo mit entsprechenden Gehegen und Shows. Besonders gut gefallen hat uns allen der Safari-Bereich, denn man kann ihn mit einem Zug durchqueren und mit einer Seilbahn überfliegen. Busch Gardens ist aber auch für seine atemberaubenden Achterbahnen bekannt. Wie immer, stand ich unten, passet auf die persönlichen Sachen meiner 5er Gruppe auf und schaute mir die Bahnen von unten an. Nein, das ist nichts für mich – aber auch rein gar nichts. Um so begeisterter waren die anderen.

Noch im Auto auf der Rückfahrt stachelten sie sich gegenseitig an, welche sie imposanter fanden, wo sie mehr Nervenkitzel hatten undsoweiter. Ich kenn das schon, schließlich gehört mein Mann auch zu den Achterbahn-Fanatikern.

Da wir den ganzen Tag nur das mitgebrachte Obst gegessen hatten, hatten alle ordentlich Hunger, und wir freuten uns auf unser Weihnachtsessen mit der von Günter liebevoll zubereiteter Lammkeule.

In unserem Team war Paul für das Zeitmanagement zuständig, eine ehrenvolle Aufgabe, 6 grundverschiedene Leute zeitgleich unter einen Hut zu bringen. Aber, Paul machte das richtig gut und so standen wir exakt, wie von ihm geplant, um 20:00 h vor unserem Haus beziehungsweise unserer Villa.

Heike, sie hatte ja die heutige „Schlüssel-Gewalt“ stieg als erste aus dem Auto und rief von der Türe aus, „Mensch riecht die Lammkeule gut, da läuft mir ja jetzt schon das Wasser im Mund zusammen.“ „Dann mach hinne, schließ auf, ich hab Hunger“, entgegnete Paul. Heike wühlte in ihrer rechten Hosentasche, dann in ihrer linken Hosentasche. Dann in ihrer rechten Jackentasche, dann in ihrer linken Jackentasche und machte dabei ein komisches Gesicht. Dann durchforstete sie ihre Handtasche, gab dabei unverständliche Worte von sich und schaute weiterhin komisch. Minuten später eilte sie, ohne ein Wort zu sagen, zum Auto und wühlte hier und guckte da. „Sag mal, Heike is was?“ wollte ich wissen. „Warum schließt du denn nicht endlich die Türe auf. Wir haben so einen Hunger, das Lamm ist längst fertig.“

„Ich finde den gottverdammten Haustür-Schlüssel nicht, er ist weg“, schrie sie. „Kann doch gar nicht sein, Heike, den hast du sicher nur gut weggesteckt, meinte Paul. Mit vereinten Kräften suchten wir nun gemeinsam den Schlüssel – aber, alle Suche brachte nichts, er war und blieb weg. „Käse“, lauteten die wahren Worte von Roland.

Cool or not, das ist hier die Frage

„Keep cool, Heike!! versuchte Günter die verzweifelte Heike zu trösten. Mit den Worten „irgendwo ist sicher ein Fenster auf, oder wir gehen durch die Türe zum Pool,“ lief er davon und kam nach einigen Minuten wieder. „Ne, alles zu“. Heike schaute noch bedröppelter. „Mensch wir haben doch den automatischen Öffner von der Garage. Und in der Garage ist doch die Verbindungstür zum Haus,“ rief Paul. „Ja, logo, du hast vollkommen recht,“ erwiderte Günter. „Also reg dich nicht auf Heike gleich sind wir drin und dann gibts unser Weihnachtsessen“. „Und ich kann endlich zur Toilette“, rief Beate.

Langsam und ganz sanft öffnete sich das automatische Garagentor, und wir 6 standen freudig und in voller Erwartung vor der Verbindungstür in der Garage. Beate, die es besonders eilig hatte, drückte die Klinke runter und … es passierte nichts. „Lass mich mal, du hast wahrscheinlich keine Kraft mehr, eine Tür zu öffnen“, rief Roland und schob sie zur Seite. Aber auch bei seinem Versuch bewegte sich die Türe keinen Millimeter.

„Die ist zu, wie kann das denn? Die ist doch immer auf. Die schließen die Amerikaner doch nie ab“, Günter war fassungslos und schaute zu Heike. Die saß mittlerweile wie ein Häuflein Elend auf dem Garagenboden, heulte und schluchzte vor sich hin. „Ich hab doch vorher noch mal alles kontrolliert und hab alle Fenster und Türen abgeschlossen. Das mache ich doch zu Hause auch immer“.

„Ja, aber du bist nicht zu Hause, sondern in Amerika,“ Günter war sauer. „Das muss man doch wissen“, schrie er. „Woher denn, ich bin zum ersten Mal hier,“ nun weinte sie richtig heftig.

Was war jetzt zu tun? Eine gute Frage, vor allem vor dem Hintergrund, dass es der 25. Dezember war und damit einer von drei (!) Feiertagen. Die Geschäfte waren geschlossen und die Menschen arbeiteten nicht – sondern feierten. Und das sahen wir natürlich an den üppig geschmückten Vorgärten und den bunt dekorierten und hell erleuchteten Häusern in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.

Dann erblickten wir das Telefon an der Wand und kamen plötzlich auf die glorreiche Idee, unseren Vermieter anzurufen, der einen Ersatzschlüssel haben musste. Ich weiss nicht mehr genau, wer die Telefonnummer von Bill Miller, unserem Vermieter hatte, schließlich rief Günter an. Das Telefon klingelte sehr lange durch – wir befürchteten schon schlimmeres! Aber, nach gefühlten 5 Minuten meldete sich Bill, endlich.

Happy Holiday

„Happy Holiday, Gunter, do you enjoy your beautiful home? We are together with our total family and have a great dinner,“ schrie Bill Günter fröhlich entgegen. Dann erklärte Günter unsere Situation und dass wir dringend den Ersatzschlüssel bräuchten, schließlich sei unsere Lammkeule im Ofen und wir hätten doch Weihnachten.

Totenstille in der Leitung! Dazu muss man wissen, dass Bill viel unterwegs ist, wie er uns erzählte und was noch hinzukam, Bill  wohnte nicht um die Ecke, sondern 2 1/2 Autostunden von unserem Haus entfernt.

„Well folks, Jim, my son will come and help you“, „Great, great,“ freute sich Günter und wir uns mit ihm.

Naja, was waren schon 2 1/2 Stunden im Leben eines Menschen? Die kann man doch locker warten – wäre es nicht Weihnachten!

Paul schnappte sich ein Fahrrad und rief Günter zu, „kommst du mal eben mit, ich brauch dich.“ Und so ließen uns die beiden alleine – kamen aber nach 20 Minuten mit jeweils einer großen brauen Tüte unter dem Arm wieder, unschwer zu erkennen, sie waren bei  7-Eleven, dem wirklich einzigen Laden, der immer offen hat.

Wie gut, dass einige Campingstühle und ein Mini-Campingtisch in der Garage standen. Flugs haben wir sie nach draußen gestellt und die Tüten ausgepackt: Sandwiches, ein Glas Gurken, eingepackte Hotdogs, Kartoffel-Chips, Mars, Erdnüsse und zwei eigekühlte Six-Packs Budweiser füllten unseren kleinen Tisch. Das Autoradio spielte Weihnachtslieder.

„Ist das gemütlich“, fand Beate und prostete Heike zu, der es nach dem 2. Bud deutlich besser ging. „Für mich ist es auch das erste Mal, dass ich Weihnachten vor in einer Garage sitze und so ein köstliches Mal genieße“, lachte ich.

Unsere Laune war gut, und wir sangen sogar die Weihnachtslieder so einigermaßen mit, nicht schön, aber laut. Offensichtlich war unser „Gesang“, oder das, was wir dafür hielten so laut, das unsere Nachbarn auf uns aufmerksam wurden. Erst standen sie in ihren Vorgärten, schauten zu uns rüber und erkundigten sich, was wir denn am 25. Dezember vor einer Garage veranstalteten.

Als sie verstanden hatten, was uns bewegte „so“ zu feiern, wurde unsere Runde größer und größer. Manche brachten neben dem eigenen Stuhl auch etwas Eßbares oder Trinkbares mit, und so feierten wir eine „offene-deutsch-amerikanische-Garagen-Weihnachts-Party“ – oh, du fröhliche. Als nach 3 Stunden Jim dann kam und uns den Ersatzschlüssel brachte, war er verwundert, auf eine so ausgelassene Party zu stoßen. Spontan feierte er mit, und machte unentwegt Bilder mit seinem Smartphone. Was wir nicht wussten, er stellte sie auf Facebook ein – davon hörten wir aber erst später!

Ach ja, die Lammkeule – die war, es war nicht anders zu erwarten – richtig gut durch. Aber gegessen haben wir sie erst am nächsten Tag – denn für heute waren wir alle rundum satt und glücklich.

Den Schlüssel hatte Heike übrigens beim Aussteigen auf dem Parkplatz von Bush Gardens verloren. Abholen konnten wir ihn im „Lost & Found“ Service Center des Parks.

Dank der eingestellten Fotos von Jim waren wir die Stars in Cape Coral und wurden von vielen auf unsere „great german-american-christmas-garage-party“ angesprochen.

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